by Edita Štulcaitė
Der
Blogeintrag wird dieses Mal eher persönlich ausfallen. Während
der Adventszeit fiel mir zunehmend auf, dass ich mich hier fast
genauso viel mit dem Kennenlernen Europas beschäftige wie mit dem
Kennenlernen Georgiens bzw. des Kaukasus. Selbstverständlich hat es
einerseits mit meiner von Georgien erst einmal unabhängigen
Situation zu tun: dem Mischmasch aus Litauen und Deutschland. So
versuche ich während des Aufenthalts hier womöglich verstärkt,
Kontakt mit beiden Seiten aufrechtzuerhalten, sei es durch direkte
Kommunikation, sei es durch das, was die weite Welt des Internets so
hergibt (es lebe die kritisch-satirische Art deutscher
Fernsehsendungen und Alinos Orlovos, Ryčiai Zemkauskai…), durch
Bücher und Filme (danke an das Internationale Filmfestival Tbilisi
für meine erste filmische Begegnung mit David Sieveking). Nicht
zuletzt ist es auch der Tatsache zu verdanken, dass ich die Uni immer
noch nicht hinter mir gelassen habe.
Andererseits
hat die schwerwiegende europäische Dimension in meiner kleinen Welt
in Rustawi mit meinen hiesigen Aktivitäten und insbesondere mit
anderen Freiwilligen zu tun, die mich mit einigen neuen Blickwinkeln
vertraut machen. Bereitet man sich auf die Sitzungen des Human Rights
Clubs vor, bemüht man sich, das nicht immer so einfache und heile
Europa mit ihren Konzepten von Dingen wie Freiheit etc. zu verstehen,
um diese dann in einer gemischten Runde diskutierbar zu machen. Wie
ich letztens bereits erwähnt habe, möchte man außerdem nicht immer
so rüberkommen, als würde man ständig auf irgendwelche
Schwachstellen Georgiens hindeuten, also bemüht man sich durch
zusätzliche Beispiele aus Europa aufzuzeigen, dass es nirgendwo nur
Schwarz und Weiß gibt. Und auch um den Deutschunterricht etwas
knuspriger zu machen (ja, es wäre schade, wenn das tatsächlich nur
ein Unterricht ohne Unterhaltungswert wird), bemüht man sich,
zumindest manchmal, die Sprache nicht gänzlich aus dem kulturellen
Kontext zu nehmen… Manchmal tauchen dabei gar sentimentale Gefühle
über Dinge auf, von denen man das nicht erwartet hätte, zum
Beispiel, wenn man für die Teilnehmer Weihnachtsplätzchen bäckt
oder wenn man in ihren Gesichtern die Faszination über den
(geräuschvollen) Christkindlesmarkt entdeckt. Oder wenn man im
English Conversation Club die Architektur Litauens präsentiert und
sich anschließend fragt: Wann?
Der
Höhepunkt des Europäischen war womöglich, wie angedeutet, die
Weihnachtszeit. Da wir, die Freiwilligen, überaus motivierte
Menschen sind, haben wir unsere georgischen Mitarbeiter am 24.
Dezember zu einem weihnachtlichen Festmahl1eingeladen.
Dafür sollten Vertreter jedes Nationalstaates etwas „Typisches“
vorbereiten. Am Ende hatten wir balandėliai (man
kann sich streiten, aus welchem Land diese letztendlich kommen:
gekocht von einer Tschechin, aber üblich im ganzen (ost- und
ostmittel-)europäischen Raum), Kohl- und Paprikasuppe (aus der
Slowakei), einen Karpfen (Slowakei), Kartoffelsalat (wiederum ganzer
ost- und ostmitteleuropäischer Raum), rote Beete Salat, spanischen
Käse und Schinken, Spinatrollen, unzählbare
Sorten von Kuchen und Weihnachtsplätzchen und noch einiges aus der
georgischen Küche.
Während
der Weihnachtstage kam dann Zeit für mal bessere, mal schlechtere
(Weihnachts-)Filme aus Tschechien und der Slowakei und für
unsere nächste Exkursion – dieses Mal war unser
Marshrutka-Reiseziel David Gareja (Dawit Garedscha), ein Ort in der
hügeligen Wüste im tiefsten Osten des Landes, direkt an der
aserbaidschanischen Staatsgrenze, die wir von der Spitze eines der
Hügel betrachteten. Nichts Außerordentliches, diese Grenze, nur
weiße Säulchen, die die Wüste in
the middle of nowhere aufteilen.
Jenseits und diesseits der weißen Pünktchen die gleiche Weite und
Adler im Himmel. Zu David Gareja selbst: Dass der Ort als eine der
wichtigsten Sehenswürdigkeiten Georgiens gilt, liegt daran, dass es
eigentlich eine Höhlenklosterstadt ist und dass dieses Kloster
bereits im 6. Jahrhundert gegründet wurde. Außerdem hat es als ein
(ehemaliger) Grund für Grenzenkonflikt zwischen Georgien und
Aserbaidschan eine große Bedeutung.
Und
zum Schluss: ein frohes, erfolgreiches (in Aspekten, die euch
persönlich am wichtigsten sind) neues Jahr an alle, bis bald!
1Georgische
Weihnachtszeit beginnt am Silvestertag, dieser gilt hier außerdem
als das wichtigste Fest, und dauert bis Mitte Januar an. Die
Reihenfolge der festlichen Zeit: Silvester, georgisch-orthodoxe
Weihnachten und schließlich das georgisch-orthodoxe Neue Jahr.
Während dieser Zeit erwartet jeder Gäste, so wurden meine
tschechische Kollegin und ich mal zu Besuch unmittelbar nach
Silvester eingeladen. Solltet ihr mal von jemandem in Georgien zur
weihnachtlichen Supra eingeladen werden, zögert nicht!
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