20 Jan 2014

Number’s Changing

by Edita Štulcaitė

Der Blogeintrag wird dieses Mal eher persönlich ausfallen. Während der Adventszeit fiel mir zunehmend auf, dass ich mich hier fast genauso viel mit dem Kennenlernen Europas beschäftige wie mit dem Kennenlernen Georgiens bzw. des Kaukasus. Selbstverständlich hat es einerseits mit meiner von Georgien erst einmal unabhängigen Situation zu tun: dem Mischmasch aus Litauen und Deutschland. So versuche ich während des Aufenthalts hier womöglich verstärkt, Kontakt mit beiden Seiten aufrechtzuerhalten, sei es durch direkte Kommunikation, sei es durch das, was die weite Welt des Internets so hergibt (es lebe die kritisch-satirische Art deutscher Fernsehsendungen und Alinos Orlovos, Ryčiai Zemkauskai…), durch Bücher und Filme (danke an das Internationale Filmfestival Tbilisi für meine erste filmische Begegnung mit David Sieveking). Nicht zuletzt ist es auch der Tatsache zu verdanken, dass ich die Uni immer noch nicht hinter mir gelassen habe.

Andererseits hat die schwerwiegende europäische Dimension in meiner kleinen Welt in Rustawi mit meinen hiesigen Aktivitäten und insbesondere mit anderen Freiwilligen zu tun, die mich mit einigen neuen Blickwinkeln vertraut machen. Bereitet man sich auf die Sitzungen des Human Rights Clubs vor, bemüht man sich, das nicht immer so einfache und heile Europa mit ihren Konzepten von Dingen wie Freiheit etc. zu verstehen, um diese dann in einer gemischten Runde diskutierbar zu machen. Wie ich letztens bereits erwähnt habe, möchte man außerdem nicht immer so rüberkommen, als würde man ständig auf irgendwelche Schwachstellen Georgiens hindeuten, also bemüht man sich durch zusätzliche Beispiele aus Europa aufzuzeigen, dass es nirgendwo nur Schwarz und Weiß gibt. Und auch um den Deutschunterricht etwas knuspriger zu machen (ja, es wäre schade, wenn das tatsächlich nur ein Unterricht ohne Unterhaltungswert wird), bemüht man sich, zumindest manchmal, die Sprache nicht gänzlich aus dem kulturellen Kontext zu nehmen… Manchmal tauchen dabei gar sentimentale Gefühle über Dinge auf, von denen man das nicht erwartet hätte, zum Beispiel, wenn man für die Teilnehmer Weihnachtsplätzchen bäckt oder wenn man in ihren Gesichtern die Faszination über den (geräuschvollen) Christkindlesmarkt entdeckt. Oder wenn man im English Conversation Club die Architektur Litauens präsentiert und sich anschließend fragt: Wann?
Der Höhepunkt des Europäischen war womöglich, wie angedeutet, die Weihnachtszeit. Da wir, die Freiwilligen, überaus motivierte Menschen sind, haben wir unsere georgischen Mitarbeiter am 24. Dezember zu einem weihnachtlichen Festmahl1eingeladen. Dafür sollten Vertreter jedes Nationalstaates etwas „Typisches“ vorbereiten. Am Ende hatten wir balandėliai (man kann sich streiten, aus welchem Land diese letztendlich kommen: gekocht von einer Tschechin, aber üblich im ganzen (ost- und ostmittel-)europäischen Raum), Kohl- und Paprikasuppe (aus der Slowakei), einen Karpfen (Slowakei), Kartoffelsalat (wiederum ganzer ost- und ostmitteleuropäischer Raum), rote Beete Salat, spanischen Käse und SchinkenSpinatrollen, unzählbare Sorten von Kuchen und Weihnachtsplätzchen und noch einiges aus der georgischen Küche.

Während der Weihnachtstage kam dann Zeit für mal bessere, mal schlechtere (Weihnachts-)Filme aus Tschechien und der Slowakei und für unsere nächste Exkursion – dieses Mal war unser Marshrutka-Reiseziel David Gareja (Dawit Garedscha), ein Ort in der hügeligen Wüste im tiefsten Osten des Landes, direkt an der aserbaidschanischen Staatsgrenze, die wir von der Spitze eines der Hügel betrachteten. Nichts Außerordentliches, diese Grenze, nur weiße Säulchen, die die Wüste in the middle of nowhere aufteilen. Jenseits und diesseits der weißen Pünktchen die gleiche Weite und Adler im Himmel. Zu David Gareja selbst: Dass der Ort als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Georgiens gilt, liegt daran, dass es eigentlich eine Höhlenklosterstadt ist und dass dieses Kloster bereits im 6. Jahrhundert gegründet wurde. Außerdem hat es als ein (ehemaliger) Grund für Grenzenkonflikt zwischen Georgien und Aserbaidschan eine große Bedeutung.

Und zum Schluss: ein frohes, erfolgreiches (in Aspekten, die euch persönlich am wichtigsten sind) neues Jahr an alle, bis bald!
1Georgische Weihnachtszeit beginnt am Silvestertag, dieser gilt hier außerdem als das wichtigste Fest, und dauert bis Mitte Januar an. Die Reihenfolge der festlichen Zeit: Silvester, georgisch-orthodoxe Weihnachten und schließlich das georgisch-orthodoxe Neue Jahr. Während dieser Zeit erwartet jeder Gäste, so wurden meine tschechische Kollegin und ich mal zu Besuch unmittelbar nach Silvester eingeladen. Solltet ihr mal von jemandem in Georgien zur weihnachtlichen Supra eingeladen werden, zögert nicht!